Sonntag, 9. Februar 2014

Die Heiligtümer des Gartens


Jeder Garten hat seine Historie. Die sollte man kennen, entweder um sich vor Schaden zu bewahren oder um nicht bei den Altvorderen ständig von einem ins nächste Fettnäpfchen (was sage ich, das sind dann schon mehr Fettschüsseln) zu stolpern. Das ist auch bei diesem Garten nicht anders. Wobei zumindest die Historie sehr interessant ist.
Der Urknall dieses Gartenuniversums liegt in den späten zwanziger Jahren des 20.JH, in der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise und der Zeit der Sinnsuche nach neuen besseren Gesellschaftsformen (alternativ war damals wohl noch keine gängige Vokabel). Viele der damals entstehenden Ideen und Ideale sind heute längst vergessen.
Da gab es in Berlin-Kreuzberg einen jungen unzufriedenen Schlosser, arbeitslos und eben auf der oben beschriebenen Suche. Und dann bot sich ihm genau die gesuchte Vision in Form der Anarcho-Syndikalisten. Ich will jetzt meine lieben Leser nicht mit weltanschaulichen Dingen quälen, nur soviel: Die Anarcho-Syndikalisten lehnten jegliche staatliche Lenkung und Bevormundung ab und setzten auf Genossenschaften und das Leben in kleinen Gemeinschaften, die sich völlig autark versorgen, also Leben auf dem Lande mit allem, was dazu gehört. So einer war der Großvater meiner Frau.
Er erstand gemeinsam mit seiner Frau Grund und Boden am Rande von Berlin, fast 3500 Quadratmeter, und begann sich hier seinen ganz persönlichen Traum zu erfüllen.
Zuerst entstand ein Holzhäuschen, mehr eine Holzhütte, und dann so nach und nach der darum liegende Garten. Der war natürlich, schon bedingt durch die wirtschaftliche Situation, ausschließlich ein Nutzgarten.

Außerdem wurden die Anarcho-Syndikalisten durch die Nationalsozialisten den Kommunisten zugerechnet. Dabei hatten beide kaum Berührungspunkte und Sympathien füreinander, aber den Nazis war's egal. Der Opa hat die meiste Zeit des dritten Reiches im KZ bzw. im Strafbataillon der Wehrmacht verbracht.
Als dann die Russen den Osten Deutschlands befreiten, war das natürlich sehr vorteilhaft, da hieß es „...du Kommunist, dann du ab jetzt Schuldirektor...“.
Zurück zum Garten. Aus der allerersten Zeit stehen noch einige Dinge, als da wären das Holzhäuschen, genannt 'die Bude', heute genutzt als Brennholzaufbewahrungsstätte und Marderunterschlupf.
 Weiterhin gibt es diverse Obstbäume, fürchterliche Ruinen, aber heilig, Pflaumenbäume, die kaum noch Blätter geschweige denn Pflaumen tragen. Und nicht zu vergessen, diverse Schuppen, in denen die Wände, Böden und Dächer gerissen sind und eben, da sie nie rechtzeitig repariert wurden, nur noch Schandflecken sind.


 Um das Holzhaus ist es echt schade, aber alles andere müsste möglichst schnell weg.
GEHT ABER NICHT! Ist heilig.
Das ist eine schwierige Situation, noch dazu, weil die Liste der Heiligtümer flexibel ist.
Was das ganze besonders erschwert, ist die Tatsache, dass es keine klaren Abgrenzungen gibt und auch nicht geben kann, weil überall eines dieser „Bauwerke“ oder Obstbaumruinen steht.
Die breiten Randstreifen, die wir jetzt urbar gemacht haben, waren Brachland, das für Gartenabfall-Entsorgung genutzt wurde. Dafür gab es einen Verwandten, der es manchmal in sich spürte, eine große Abfallgrube (3x3 Meter) zu graben, das Ganze zwei Meter tief,die dann ein Jahr lang alle Abfälle wie Unkraut und Asche aufnahm. Das war für den Boden durchaus nachteilig, denn der besteht hier wirklich aus märkischem Sand. Wenn dieser Sand noch obendrauf zu liegen kommt, ist die Katze zwar glücklich, weil sie eine gigantische Freilufttoilette hat mit feinstem Sand, aber für irgendwelche Gartenkulturen eher abträglich. Darum jedes Jahr die große Pferdemist-Orgie. Und so ganz allmählich zeigen sich erste Erfolge.
Ein weiterer Knüller, den ich bis dato nicht kannte, sind die sogenannten Steinegräber. Wer jetzt irgendwas mythisches denkt, liegt daneben. Das sind einfach Stellen, an denen die gesammelten Steine, die auf den bearbeiteten Flächen en masse zutage traten und treten, abgeworfen wurden. Ziemlich planlos das ganze, und deshalb auch schwer vorhersehbar. Stößt man auf eine solche Stelle, ist guter Rat teuer. Meistens wird dann ein neues Steinegrab noch weiter am Rand angelegt. Oder man macht sich die Mühe und sammelt alle Steine ein und entdeckt die Liebe zu einem Steingartenbeet und eventuell auch noch einer Trockenmauer...
Auch das ein Projekt, welches in diesem Jahr Gestalt annehmen soll. Bisher wachsen die Pflanzen noch in den hässlichen Betonsteinen aus dem Baumarkt. Und das ist ihnen und ihrer weiten Reise gar nicht angemessen, denn ein Teil kommt aus Ungarn vom Plattensee und der Rest von der schönen Insel La Palma. Die hat mir mein lieber Wollfrosch voriges Jahr mitgebracht.
Aber dazu vielleicht mal demnächst mehr.
Bisher klang es so, als wenn dieser Garten eine einzige Katastrophe ist. Ist er nicht, ganz im Gegenteil. Wer hat schon soviel Platz, um sich auszutoben (richtiger sollte es heute heißen – sich zu verwirklichen), sich selbst mit Obst und Gemüse zu versorgen und sich schöne Ecken und Plätze zu schaffen.
Dazu kommt, dass dieser Garten viele Eckchen hat, in denen die Natur nach wie vor absolute Priorität hat. Da gibt es Walderdbeeren und bei den Blumen Himmelsschlüsselchen, die völlig unerwartet jedes Jahr an anderen Stellen auftauchen. Und es gibt eine große Ecke mit Waldmeister, die uns jedes Jahr einmal dazu verleitet, Maibowle mit frischem Waldmeister zu machen.
Jeder wird beim Lesen gemerkt haben, dass viele interessante Themen nur angekratzt wurden. Ich werde auf jeden Fall der „Bude“ noch einen ausführlichen Beitrag widmen, denn deren Geschichte ist wirklich spannend und einer intensiven Vorstellung wert.

So, aber nun soll es endlich genug sein

der Spatenpauli


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen